1605: Der Geometer, Kartograph, Zeichner und Historiker Wilhelm Schefer, gen. Dilich veröffentlicht sein monumentales Werk „Hessische Chronika“, die er seinem Landesherren, dem Landgrafen Moritz („der Gelehrte“) widmet aber wohl schon unter dessen Vorgänger Wilhelm IV. begonnen hat. Sei es, um ihm zu schmeicheln oder dessen geschichtliche Legitimität zu unterstreichen, präsentiert er darin eine historische Landkarte, auf der er das Gebiet der Chatten sich vom Südrand des Harzes bis in den Neckarraum erstrecken läßt. Damit gehört Dilich zu den ersten, die „Chatten“ und „Hessen“ zueinander in Beziehung setzen. Interessanterweise findet sich auf dem Blatt ein Punkt der sich mit dem Platz der „Alteburg“ bei Niedenstein zu decken scheint. Diesen notiert er mit dem Ortsnamen „Mattium“!

1708: Landgraf Carl von Hessen-Cassel läßt auf der „Mader Heide“ einen größeren Grabhügel öffnen, der neben einer schnurkeramischen Hauptbestattung auch hallstattzeitliche Gräber enthält.

1714: Der Marburger Professor Johann Hermann Schmincke publiziert eine „Dissertatio de urnis sepulcralibus et armis lapideis veterum Catorum“, deren Ausgangspunkt die Ausgrabungen auf der „Mader Heide“ sind.

1717: Johann Conrad Wetzel verfasst die „Dissertatio Historica de Episcopatv Bvrabvrgensi in Hasßia“, die allerdings unter dem Namen seines Professors, des ebd. bekannten J. H. Schmincke, publiziert und bekannt wird, wie das damals (und z. T. manchmal auch heute noch) so üblich ist.

1778: Der Hofbaumeister Simon Louis du Ry berichtet über ein frühlatènenzeitliches Urnengrab von der „Hohen Winde“ bei Cassel/Kassel, das im Vorjahr bei Erdarbeiten gefunden worden ist.

1818: Ein „Panzerhemd“ kommt beim Steinbrechen auf dem Wartberg zutage, auch von (keltischen?) Goldmünzen ist die Rede.

1859: erfährt Freiherr von Buttlar, daß wohl der Sattler Knieriem aus Kirchberg Knochen, steinerne und keramische und andere Artefakte vom Wartberg verkauft, die er dort seit einiger Zeit ausgraben soll.

1861: Der Anatomieprofessor Friedrich Matthias Claudius (1822-1869), Enkel des bekannten Dichters, erwähnt aus seiner Zeit in Mar­burg Knochen- und Scherbenfunde vom Wartberg, die aus diesen Grabungen stammen könnten.1)

1873: Der Oberförster Hofmann öffnet zwei bronzezeitliche Grabhügel in der Flur „Eiertanz“ im Fritzlarer Stadtwald.

1875: (15.-16./19. Oktober) Eduard Pinder, der Direktor des Museums Fridericianum in Kassel gräbt im Fritzlarer Stadtwald ein Stein­kistengrab aus.

1894: Der archäologisch interessierte Gutsbesitzer Baron Felix Eitel von und zu Gilsa und Johannes Boehlau, der neue Direktor des Museum Fridericianum (heute Staatliche Museen in Kassel) gra­ben das Steinkammergrab von Lohne/Züschen aus. Die Un­ter­suchung wird von dem seit kur­zem in Züschen ansässigen Groß­industriellen Wilhelm Garvens aus Hannover un­ter­stützt, dessen Gutinspektor Gelpke zu den Entdeckern gehört hat. Das ist wohl ein Grund, warum die Anlage in der Forschung überwiegend un­ter „Züschen“ aufgeführt wird, obwohl sie eigent­lich in der Ge­markung Lohne liegt.

1896: hält Gustav Kossinna  in Cassel (Kassel ) den Vortrag „Die vorge­schichtliche Ausbreitung der Germanen in Deutschland“, der großen Einfluss auf die folgende Vorgeschichtsforschung hat.

1905-1913: Johannes Boehlau, Gustav Eisentraut, Hermann Hofmei­ster u. a. ergraben die Altenburg bei Niedenstein.

1905-1926: Unter dem geschichtsinteressierten Bäckersohn und Dechanten Dr. Wilhelm Jestädt aus Fulda (4.8.1865 – 6.5.1926) beginnt die systematische Erfor–schung der Stadtgeschichte. Zunächst begründet er den Zweigverein Fritzlar des „Vereins für hessischen Geschichte und Landeskunde“, dann fängt er zwischen 1912 und 1914 an im Rahmen der (auch von ihm initiierten) anstehenden Sanierungmaßnahmen (s. u.) ein Dommuseum einzurichten, das nicht nur die üblichen sakralen Kunstgegenstände präsentiert sondern erstmals auch ge-wöhnliches Gebrauchsgut wie mittelalterliche Keramik, die kurz zuvor im Hause der Familie Drissel am Steinweg zutage gekommen war. Zwei Mitbegründer der Arbeitgemeinschaft, der spätere Uhrmacher und Goldschmied Ludwig Köhler (*1912) und der Bäckermeister Hans Josef Heer (*1913), sind Kommunionskinder seiner Gemeinde, und es ist nicht auszuschließen, daß Jestädt auch hier als Anreger gelten kann. Für das um ein Jahr verschobene 1200-jährige Stadtjubiläum verfasst er zu 1924-1925 eine Stadtgeschichte als Festschrift, für die er durch die Universität Marburg auch noch die Ehrendoktorwürde erhält. Sein überaus kräftezehrendes Engagement bei der Durchführung der Festivitäten führt allerdings dazu, daß er gesundheitlich Schaden nimmt und bereits ein Jahr später, wieder in Fulda, verstirbt.

Er erntet in der Stadt und der Fachwelt großes Ansehen und wird Fritzlarer Eh-renbürger, während das bischöfliche Ordinariat in Fulda bemängelt, daß er sich leider mehr um die Geschichte als um das Seelenheil seiner Gemeindemitglieder gekümmert habe. Der öffentliche Druck ist aber so groß, daß er schließlich dann doch noch zum „Monsignore“ ernannt wird.

1916: Der Regierungsbaumeister Dr. Ing. K. Becker erforscht mittels ar­chäolo-gischer Ausgrabungen die Baugeschichte der ehem. Stifts­kirche St. Peter („Dom“) zu Fritzlar.

1924: Unter Begleitung und Anlei­tung durch die amtliche Denkmal­pflege (Dr. Walter Breh­mer und R. Schröder) ist der junge Lehrer August Boley (*1894) seit diesem Jahr in der nordhessischen Boden­for­schung u. a. auch in Dilich tätig. Der Auslöser wird wahrscheinlich das Projekt des engagierten fortschrittlichen Pädagogen gewesen sein, zusammen mit seinen Schülern einen ersten Sportplatz in diesem Dorf anzulegen. Die dabei zutage tretenden Urnengräber erregen nicht nur Aufmerksamkeit in nahen Landesmuseum Kassel und der Universität Marburg sondern beeinflussen auch den zukünftigen Lebensweg dieses Lehrers.

1925: (Sommer) Ausgrabung einer eisenzeitlichen bis kaiserzeitlichen Siedlung „Vorm Mader Stein“ durch Walter Brehmer.

1926-1931: Der Fuldaer Gymnasialprofessor Joseph Vonderau führt für den archäologischen Nachweis der Missionstätigkeit des Hl. Boni­fatius eine erste Ausgrabung auf der Büraburg bei Unge­danken bei Fritzlar durch; die Publikation erfolgt 1934 (s. u. Veröffentlichungen).

1932: Waldarbeiter entdecken im „Distr. 1“ im Fritzlarer Stadtwald ein Urnengrab.

1930ff.: In den folgenden Jahren wird Boley durch die Entdeckungen und Wieder­­er­richtungen von Menhiren in Raume Kassel be­kannt­.  Mit dem Prä­historiker Wilhelm Jordan führt er Ausgrabungen durch. Da­bei unterstützt ihn Prof. Gero von Mer­hardt (Amt für Bo­denalter­tümer in Marburg). Es kommt zu Kontakten mit den Studenten der GRAWA. 2) Nach 1933 im NSLB tätig.

1927-1936: Die zunehmende Such- und Grabungstätigkeit offizieller und privater Stellen (Personen oder Gruppen wie z. B. Schulen) veranlasst offenbar das Landesmuseum Kassel durch den Richter Theodor Meyer einen, als Sonderdruck publizierten, Leitfaden zur Geschichte und aktuellen Gültigkeit des sog. „Schatzregals“ verfassen zu lassen.

In den 1930erJahren ist der Bauingenieur Walter Knapp im Raume Hannover mit den Erdarbeiten für die Reichsautobahn beschäftigt. Dabei stößt er häufig auf prähistorische Tierknochen, die er sammelt und aufbewahrt. Daraus ergeben sich wohl auch Kontakte mit dem Landesmuseum Hannover und Prof. Dr. Karl-Hermann Jacob-Friesen.

September 1934: Nach einer Meldung von Heinrich Grunewald aus Dissen wird am „Scharfenstein“ bei Gudenberg während eines Straßenbaues eine spätlatèn-zeitliche Siedlungsgrube angeschnitten und archäologisch dokumentiert.

1937: (27. April): Das Steinkammergrab in Lohne/Züschen wird Eigentum des Krei­­­ses Fritzlar (ab 1939 Kreis Fritzlar-Homberg), als der bisherige Eigentümer, der Verein für Hessische Geschichte und Landeskunde in Kassel, aus finanziellen und personellen Gründen nicht mehr in der Lage ist das Objekt zu erhalten und zu pflegen. Er verkauft -nach Anfrage- daraufhin die Anlage (bzw. die Parzelle), die ihn seinerzeit 1000 Mark gekostet hatte, für 600 RM an den Kreis. Da dieser zur selben Zeit pekuniär auch nicht gerade auf Rosen gebettet ist, bewilligt er 300 RM und erwirkt vom zuständigen Landeshauptmann den Rest. Wegen der Notarkosten des Vertrages erhält der Verein aber letztlich nur 589,25 RM für den Komplex. 3) Die Grabanlage wird dann bis in die 1960er Jahre hinein sich weitgehend selbst überlassen und entwickelt sich zu einer Art „Biotop“ (s. u. Museumsgeschichte 1961).

Mitunterzeichner des Kaufvertrages ist der Mittelschullehrer Heinrich Blum aus Lohne, der in der östlichen Gemarkung dann selber ein vergleichbares Monument ausgräbt (s. u. Museumsgeschichte 1950).

Winter 1937/38: Beim Ausbau der Reichsstraße (Umgehungsstraße) bei Gudensberg werden am SO-Hang des „Odenberges“ weitere Siedlungsspuren bemerkt. Nach einer Fundmeldung am 3. März 1938 erfolgt in den nächsten Tagen eine Ausgrabung zweier spätlatènezeitlicher Kegelstumpfgruben durch stud. Hans Schönberger (später Leiter des Saalburgmuseums und des RGZM) und Otto Uenze. Weitere Beteiligte sind Stud. Ass. Adolph, August Boley, Heinrich Grunewald und Wilhelm Jordan. Der klassische Archäologe Dr. Hans Möbius (ab 1942 Professor) „begutachtet“ die fundreichen Objekte.

1938: In etwa diesem Jahr beginnt mit Boley auch die Luftbildarchäo­logie in Nordhessen, wobei er die Unterstützung der Fa. Fieseler, Kassel-Waldau, gewinnt.

1939: Während der Bauarbeiten für den Wehrmachts-Schießstand in Fritzlar wird in der Flur „Triesch“ ein Urnengrab gefunden. Die re­stau­rierten Gefäßreste be­finden sich später im Regionalmuseum Fritzlar.

1942: Der Maschinenbauer und Gebrauchsgraphiker Max Barta wird durch die Firma Junkers von Dessau nach Fritzlar versetzt, um beim Flugzeugbau auf dem Fliegerhorst (Ju 352) mitzuarbeiten. Nach dem Kriege kann er nicht in seine Heimat Nordmähren (CSR) zurück und bleibt in Nordhessen, wo er auch heiratet.

1946: Der Archäologe Emil Johannes Herdmenger, Gudensberg, wendet sich an August Boley und regt den Aufbau einer politisch unab­hängigen Bodendenk-malpflege an. Boley äußert sich, wohl ange­sichts seiner Situation, skeptisch (Schriftwechsel im LM Kassel).

1947 (Mai/Juni): Erste Notbergungen beim Sportplatzbau in Dillich durch Hans Heintel nach Hinweisen und unter Einschaltung von August Boley.

1948: Kartierung historischer Ereignisse und Veröffentlichungen über die Geschichte Fritzlar und des Umlandes durch Ludwig Köhler. Dieser beginnt auch mit der photographischen Dokumentation ur- und frühgeschichtlicher Funde sowie von Gegenständen mittelalterlicher und kunstgeschcihtlichen Interesses, die er auf ertsen Karteikarten erfasst.

1948: Hans Josef Heer beginnt mit der Sammlung von Literatur über Fritzlar und Erwähnungen der Stadt in der Fachliteratur.

1949: (Oktober) Notbergungen in Dillich beim Straßenbau neben dem Sportplatz durch Hans Heintel und Ludwig Köhler unter Ein­schaltung von August Boley und Dr. Otto Uenze (Marburg) vom Amt für Bodenaltertümer.

1949: Conrad Hohmann aus Gudensberg-Maden findet erste Siedlungs­spuren am „Lamsberger Weg“. Er wird zum Mitbegründer der Ar­beitsgemeinschaft und des späteren Vereins.

1949: (Dezember) Ludwig Köhler, Hans Josef Heer, K. J. Thiele und Hans Heintel erörtern im Verkehrs- und Verschöne­rungs­verein die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft für Ur- und Frühge­schichte, die im Spätherbst unter der Leitung von Köhler ins Leben gerufen wird.

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1) Dank an den Architekten und Heimatforscher Markwart Lindenthal, Niedenstein-Kirchberg, für den Hinweis. Auch Waltraut Schrickel (1969), S.10, erwähnt die Vorgänge.

2) Friedrich Rose: 1200 Jahre RITTAHE Altenritte Großenritte 775-1975. (Baunatal 1975), 11ff. Die GRAWA („GRAbungsWAgen“) war eine durch Prof Gero von Merhart vom Vorgeschichtlichen Seminar der Philipps-Universität Marburg (er fungierte zugleich als oberster Landesarchäologe in Kurhessen) organisierte längerfristige Expeditionstour mit Archäologie-Studenten (und einigen Studen-tinnen), die im Nordhessen Notgrabungen u. ä. durchführten. Aus dieser Gruppe sind zahlreiche, später sehr berühmte Forscher hervorgegangen.

3) Diese Details recherchierte Hans Heintel während der Vorbereitungen zu einem Vortrag über dieses Thema, den er dann am 16. Januar 1968 vor dem Geschichtsverein in Homberg hielt.